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Das Öttinger Land, Band 35, Jahresfolge 2015

  • von
Matthäus Langschartner

Das neue „Oettinger Land“ umfasst auf 486 Seiten 30 Beiträge zur Heimatgeschichte. Einer davon ist die Fortsetzung der 2014 begonnen „… Geschichte des „Kleinen Mannes“ im „Großen Krieg“.

Ein paar Wo­chen nur, dann ist al­les vor­über. Kein gro­ßer Krieg, nein, ein paar Ma­nö­ver, für die Sol­da­ten ein „ko­sten­lo­ser Aus­flug nach Pa­ris“ – so ver­sprach es die Re­gie­rung bei Kriegsbeginn. Die Men­schen glaubten an den schnel­len Sieg, als am 31. Juli 1914 Kö­nig Lud­wig III. über Bay­ern den Aus­nah­me­zu­stand ver­häng­te. Daraus wurde nichts: Viereinhalb Jahre später ha­ben an die neun Mil­lio­nen Men­schen ihr Le­ben ver­lo­ren, sind 21 Mil­lio­nen ver­wun­det, Mil­lio­nen leben in Hun­ger und Elend.

Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung lebte 1914 zu Beginn des Ersten Weltkriegs von der Landwirtschaft und ausgerechnet im August zur Erntezeit mussten die Männer ins Feld. Einer von ihnen war der Garchinger Matthäus Langschartner (Stadlerbauer in Ausleiten, Gemeinde Garching a. d. Alz). Seine Briefe von der Westfront in Frankreich geben eindrucksvoll Zeugnis über die Leiden  der Menschen „im Felde“, wie beispielsweise der Brief vom 9. Januar 1915:
Lieb­ste Anna Ge­stern früh 5 Uhr sind wir vom Schüt­zen­gra­ben her­ein­ge­kom­men und wie – durchnäßt, vom Fuß bis zum Kopf voll Lehm. 2 Tage wa­ren wir draußen, 24 Stund hats un­un­ter­bro­chen ge­reg­net. Die Un­ter­stän­de sind mei­stens ein­ge­fal­len, so bleibt ei­nem nichts üb­rig als ste­hen blei­ben wo du stehst, sonst ver­sinkst. Als wir in den Gra­ben die er­ste Kom­pa­nie ab­lö­sten gab´s man­che köst­li­che Hin­der­nis­se, wir gin­gen im Lauf­gra­ben kei­ne 50 m, jetzt steckt schon ei­ner im Lehm, er bringt ab­so­lut sei­ne Ha­xen nim­mer raus, wie­der ei­ni­ge Me­ter stec­ken schon wie­der 2 im Lehm. Der woll­te dem an­de­ren hel­fen, jetzt stec­ken alle 2 drin, es war wirk­lich zum La­chen. Ei­ner ver­lor sei­nen Stie­fel ganz, der war ei­nen Tag mit ei­nem Stie­fel im Gra­ben. Zum Glück, hat er ge­sagt, hat´s von der Ma­schi­nen­ge­wehrab­tei­lung ei­nen eine feind­li­che Ku­gel töd­lich ge­trof­fen u. so hat er von dem ei­nen Stie­fel be­kom­men.“ 

Die Briefe lassen auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, etwa wenn er schreibt: “ 8 Tage freß ich mit der Sau, sag­te neu­lich ei­ner, wenn mor­gen Frie­de ist.“
Über 250 Feldpostbriefe und Karten Langschartners vom 7. August 1914 – „in München flatterten tausend von Taschentücher voll Jubel und Begeisterung“ schreibt er da – bis 6. November 1918  wurden ausgewertet, allein aus dem Berichtsjahr 1915 waren es 72.
Diese Frontberichte in Form von Briefen in die Heimat nehmen den Zahlen  die Anonymität, wecken menschliches Mitgefühl und entlarven diesen „Tod für Kaiser, Volk und Vaterland“ als einen gigantischen und mörderischen Schwindel, für den kaum einer der Verantwortlichen jemals zur Rechenschaft gezogen wurde. Zu beziehen ist das Öttinger Land im Buchhandel sowie in den Geschäftsstellen des ANA.

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